Aus den Wegen der Kelten, Römer und Slawen wurden Wege der Christen

9.–11. Jh.

Nach dem Zerfall des fränkischen Reiches Karls des Großen in drei Teile (814) und im Schatten des neu in Erscheinung tretenden ostfränkischen Reiches wuchs die Basis eines neuen Staatsgebildes der Westslawen, das Großmährische Reich, das Kontakte sowohl zum christlichen Abendland (Rom) als auch zum Osten (Byzanz) unterhielt. Nach seinem Untergang wurde das Zentrum der westslawischen Staatlichkeit das Böhmen der Přemysliden, das sich mehr an das abendländische Christentum anlehnte. Herausragende Gestalten dieser Zeit sind die byzantinischen Missionare Konstantin und Method, der Přemyslidenfürst Václav (Wenzel) und der Bischof der Slawnikiden Vojtěch (Adalbert). An die Epoche der Geburt der tschechischen Staatlichkeit knüpfte die Ära des Aufschwungs des Heiligen Römischen Reiches an, das den Sieg der christlichen Bildung und Kultur mit sich brachte. Dem europäischen Kontinent wurde eine gemeinsame geistige Dimension in die Wiege gelegt.

Auf den bereits damals uralten Wegen, über die über Jahrhunderte keltische Kaufleute und Druiden, römische Legien, slawische Stämme, awarische Nomaden, irische Missionare und auch fränkische Truppen zogen, kamen im Jahre 864 in das Gebiet Mährens aus dem mazedonischen Thessaloniki zwei Brüder, Konstantin und Method. Der byzantinische Kaiser Michal III. hatte sie auf Ersuchen des großmährischen Fürsten Rostislav I. hierher entsandt, um in Mähren die christliche Religion zu lehren, Priester heranzubilden und Kirchen zu gründen. 
 

Der Erfolg der beiden Brüder lag vor allem darin begründet, dass sie nicht am Latein festhielten, sondern nach dem Vorbild des griechischen Alphabets eine slawische Schrift schufen – die glagolitische Schrift (Glagoliza), in die sie die grundlegenden christlichen Texte übertrugen und somit den Slawen die christliche Botschaft in ihrer Sprache übermittelten. Die Abhaltung der Gottesdienste und der Unterricht des Christentums erfolgt in altslawischer Sprache. Relikte der Denkmäler aus jener Zeit können wir in Südmähren finden, vor allem in Mikulčice und in Staré Město bei Uherské Hradiště.

 

Von oben verbreitete sich der Glaube

Die erste Taufe böhmischer Fürsten erfolgte bereits im Jahre 845 im deutschen Regensburg, jedoch verwandelten sich uralte heidnische Wege in christliche auch dann, als im Jahre 880 in Mähren der Přemyslidenfürst Bořivoj mit seiner Gemahlin Ludmila aus den Händen des Erzbischofs Method die Taufe empfing. Der ganze Akt fand sicherlich in einer nach dem Vorbild byzantinischer Tempel errichteten Kirche statt. 
 

Ihre durchleuchtete und leicht gestaltete, das Himmelszelt darstellende Kuppel symbolisierte das himmlische Königreich unter der Herrschaft Christi; der untere Saal zur Versammlung der Menschen stellte die menschliche Welt das (das berühmteste Beispiel eines Tempels dieses Typs ist die Hagia Sophia im heutigen Istanbul). Byzantinische Kirchen hatten eine überdachte Vorhalle namens Narthex, die für bislang ungetaufte, sich die Lehre des Christentums erst aneignende Menschen bestimmt war. 
 

Auf Bořivoj, den ersten bekannten Fürsten der Přemysliden, musste diese Reise einen tiefen Eindruck hinterlassen haben – der slawische Gottesdienst wurde in Böhmen sodann neben dem abendländischen, lateinischen Gottesdienst bis in die Zeit seines Enkels, des Fürsten Václav (Wenzel), abgehalten. Wenzels Wege waren jedoch bereits in Richtung des Abendlandes, des ostfränkischen Reiches abgesteckt. Nach den westlichen Vorbildern entstanden auf böhmischem Gebiet die ersten vorromanischen Kirchen. Die älteste von ihnen ist die Rotunde auf der Burg Levý Hradec, die dem Hl. Clemens geweiht war, dessen sterbliche Überreste gerade von den Aposteln aus Thessaloniki von der Krim nach Rom gebracht worden waren. 
 

Die gleiche Weihe erfuhr auch die Kirche in Stará Boleslav (Alt-Bunzlau), die Fürst Wenzel (als hölzernes Gotteshaus) errichten ließ. Nach dem späteren romanischen Umbau wurde sie mit wertvollen Fresken geschmückt, auf denen nicht nur die Darstellung des Fürsten, sondern auch seiner frommen Großmutter, der Hl. Ludmila, in Erscheinung tritt. 

Selbige erzog ihn gemeinsam mit dem Bruder zu einem Christen, während im Lande als Regentin die Mutter der minderjährigen Knaben, Fürstin Drahomíra, regierte, der, im Gegenteil, christliche Neuheiten nicht allzu willkommen waren. Die Rivalität zwischen der Schwiegermutter und der Schwiegertochter endete erst mit der politischen Ermordung der Hl. Ludmila durch Schergen aus dem Gefolge von Drahomíra. Der Hauptstreit beider Fürstinnen stand allerdings weniger im Zusammenhang mit der Annahme oder Nichtannahme des Christentums. Die eine wollte sich in der Außenpolitik auf Bayern orientieren, mit welchem Wenzels Vater, Vratislav, gute Beziehungen unterhielt, während sich die andere Sachsen zuwandte, dessen König Heinrich der Vogler immer mehr an Macht gewann. Weitere Stimmen, denen der verräterische Boleslav gehör schenkte, rieten im Gegensatz hierzu, sich von den deutschen Fürsten und Königen die volle Souveränität zu erkämpfen…
 

Kaum hatte Wenzel die Volljährigkeit erlangt und die Herrschaft übernommen, ließ er Ludmila auf der Prager Burg bestatten, wobei er seine Mutter zur Strafe vom fürstlichen Hofe verbannte (womöglich auch des Landes verwies). Später vermochte er jedoch, ihr zu verzeihen, wobei es durchaus möglich ist, dass gerade Drahomíra bemüht war, Wenzel vor dem Ansinnen seines Bruders Boleslav zu warnen, der von den kampflüsternden Vladiken zum Brudermord angespornt wurde, den er vor der Kirche der Hl. Cosmas und Damian in Stará Boleslav (Alt-Bunzlau) im Jahre 935 verübte.

 

Gründung des Bistums in Prag

Böhmen und Mähren unternahmen einen bedeutenden geistlichen Schritt im Jahre 973 bei der Gründung des Prager Bistums. In der Rotunde auf dem Levý Hradec, wo er vorher eingesegnet und zum Diakon geweiht worden war, wurde zum zweiten Prager Bischof (und ersten böhmischer Herkunft) im Jahre 982 Vojtěch Slavníkovec (lat. Adalbert, aus dem Geschlecht der Slawnikiden) gewählt. Als junger Bursche hatte er Theologie in Magdeburg studiert, wo er dem späteren Kaiser Otto III. nähergekommen war. Die asketischen Züge des großen Slawnikiden gerieten jedoch in Böhmen in Widerspruch zur Realität des bischöflichen Amtes in dem erst unlängst und nur oberflächlich getauften Lande.
 

Nach fünf Jahren vergeblichen Bemühens, den Handel mit Sklaven, (aus welchem das damalige Prag seinen Reichtum schöpfte), die Polygamie und den Alkoholismus auszumerzen, verließ er angewidert das bischöfliche Amt und reiste mit seinem Bruder und unzertrennlichen Weggefährten, dem Hl. Radim (Gaudentius) nach Rom. Nach einem Appell des Fürsten Boleslav II. kehrte Vojtěch im Jahre 992 auf seinen bischöflichen Thron zurück und brachte eine Gruppe italienischer Benediktiner mit, für die er unweit der Prager Burg in Břevnov (Breunau) das erste Männerkloster in Böhmen gründete. Das erste Kloster in den böhmischen Landen war der Benediktiner-Frauenkonvent zu St. Georg (Jiří) auf der Prager Burg, der bereits im Jahre 976 gegründet worden war. 

In einer Zeit, in der Vojtěch während einer Missionsreise zu den baltischen Prussen den Märtyrertod erlitt, wurde das ostfränkische Reich in Verbindung mit der geistlichen Autorität Roms zu einer Großmacht Mitteleuropas, zum Heiligen Römischen Reich. Der Bischof Vojtěch war bemüht, die Autonomie der Kirche zu stärken, die damals von der weltlichen macht stark abhängig war. Er war einer der führenden Heiligen auch in Ungarn und in Polen, für die er ein Apostel war (der Legende nach soll er den späteren ersten ungarischen König Stephan I. getauft haben). 
 

Der Hl. Radim, der Zeuge des Todes seines Bruders war, setzte sich dafür ein, dass der polnische König Bolesław I., der Tapfere, Vojtěchs Leichnam aus den Händen der prussischen Heiden entgegennimmt (der Legende nach soll er ihn mit Gold aufgewogen haben). Vojtěch wurde jedoch im mittelpolnischen Gniezno (Gnesen) begraben, wo bei dieser Gelegenheit das Erzbistum gegründet und eben Radim anvertraut wurde. Vojtěchs sterbliche Überreste kehrten im Jahre 1039 als Kriegsbeute des Břetislav I. nach Prag zurück und sind im St.-Veits-Dom beigesetzt.
 

Das Kloster Sázava (Sasau) und das Olmützer Bistum 

Zur imaginären Kreuzung der Wege zwischen dem christlichen Osten und Westen wurde Böhmen erneut in der Zeit der Herrschaft des Fürsten Oldřich, ansonsten eines unerbittlichen Kriegers, als er nach einer Begegnung mit dem Eremiten Prokop im Jahre 1032 in Sázava (Sasau) ein Kloster errichten ließ und ihn zu seinem ersten Abt bestellte. Der Heilige Prokop ist der erste böhmische Heilige, der nicht einem herrschaftlichen Geschlecht abstammte und dessen irdischem Leben nicht durch einen gewaltsamen Tod ein Ende gesetzt wurde. Das Sasauer Kloster war ein Benediktinerkloster, in welchem jedoch auch die slawische Liturgie zelebriert wurde, wobei hier Bücher in altkirchslawischer Sprache geschrieben wurden. Die Mönche knüpften Kontakte zur Kiewer Rus. Die Bindungen an das Abendland waren jedoch stärker, sodass die altslawische Sprache in Sasau im Jahre 1096 in Vergessenheit geriet, als die Mönche vertrieben und durch die Benediktiner-Brüder mit lateinischer Liturgie ersetzt wurden. 
 

An Methods Vermächtnis knüpfte zumindest symbolisch im Jahre 1063 die Gründung des Olmützer Bistums an (mit dem Prager Bistum war es dem Mainzer Erzbistum unterstellt), das jedoch bereits in der Zeit nach dem formalen Schisma der Christenheit in die morgenländische (byzantinische, später orthodoxe) und abendländische (römisch-katholische) Kirche entstand. Durch das morgenländische Schisma des Jahres 1054 fand jahrhundertelange Rivalität zweier geistlicher Großmächte hinsichtlich der Führungsautorität in der christlichen Welt ihren Höhepunkt.
 

Ein Jahr darauf wurde auch Mähren geteilt, das nach dem Fall des Großmährischen Reiches von den Přemysliden beherrscht worden war. Fürst Břetislav I. teilte Mähren kurz vor seinem Tode im Jahre 1055 in drei Lehnsfürstentümer auf, die er seinen Söhnen anvertraute. Somit entstanden das Olmützer, das Brünner und das Znaimer Lehen. Diese drei Teile wurden im Jahre 1182 zur Mährischen Markgrafschaft vereint, die in der Geschichte stets eine bestimmte politische und auch religiöse Unabhängigkeit mit einer eigenen Ständeversammlung und später einem Landtag haben sollte.

Wichtige Termine

910 – 
Gründung des Klosters Cluny, Abt Odon (nach dem Jahr 927) Zentrum der Reformbewegung
988 – 
mit der Taufe des Prinzen Vladimir von Kiew, trat Russland zum orthodoxen Christentum über
1054 – 
Spaltung zwischen der West- und der Ostkirche
1095 – 
1. Kreuzzug nach Palästina – Gründung des Ritterordens