Die Wege der Mönche, Pilger und Kreuzritter

11.–12. Jh.

Das Böhmen der Přemyslidenfürsten wurde unumkehrbar zu einem Bestandteil des christlichen Abendlandes, vor allem aufgrund der stärkeren Stellung des Heiligen Römischen Reiches, das als Fortsetzerin des antiken Roms bezeichnet wurde. Im Westen kulminierte zwischen dem Kaiser (den Königen) und dem Papst (der Kirche) der sog. Kampf um die Investitur, d.h. um das Recht, kirchliche Würdenträger einzusetzen. Nach Böhmen und Mähren kamen in immer größerem Maße neue klösterliche Bewegungen und Orden, die gemeinsam mit der deutschsprachigen Bevölkerung das schlecht zu erreichende Grenzland kolonisierten. Darüber hinaus brachten die auch Bildung sowie neue architektonische Stile (den romanischen und gotischen) mit. Die mittelalterliche Kultur des christlichen Abendlandes wurde in erheblichem Maße von dem Verlangen nach Wallfahrten zu den Heiligen geprägt, die ihre logische Fortsetzung in der Ära der Kreuzzüge nach Palästina, in das Heilige Land, zur Befreiung des Grabes Jesu Christi hatten. Dieser Zeitraum wird als Hochmittelalter bezeichnet und endet mit der Krise der Kirche und des abendländischen Christentums.

Böhmen und Mähren waren zu jener Zeit bereits vollwertiger Bestandteil der westlichen katholischen Welt, konkret des Heiligen Römischen Reiches, was durch die rasche Verbreitung des romanischen Stils bestätigt wurde, der meisterhaft byzantinische, keltische und barbarische Einflüsse in sich vereinte. Auf unserem Gebiet wurde er zu Beginn durch die Benediktiner verbreitet, die eines ihrer Zentren im Kloster im französischen Cluny hatten. Zu jener Zeit begannen auf unserem Territorium die ersten Rotunden, Basiliken, Klöster und Kirchen zu entstehen.
 

Im 11. Jahrhundert existierte in den böhmischen Landen das System der Eigentumskirchen. Die Kirchen waren das Eigentum desjenigen, auf dessen Boden sie errichtet wurden, sodass der Bischof zur Bestellung des Priester die Zustimmung des Eigentümer benötigte. Die geistliche Verwaltung war bis zu einem gewissen Maße Privatunternehmen des Herrn, aus dessen Einnahmen er einen Anteil erlangte. Die Änderung dieses Zustandes war zur Wende des frühen und des entwickelten Mittelalters das Ziel der sog. Cluniazensischen Reform, die die Kirche der Macht der weltlichen Herrscher entreißen wollte. Einer der Wege war die Gründung vieler neuer Klöster. 

 

Festungen der Heiligen

Die Verbreitung des romanischen Stils erleichterte das Anwachsen des Heiligenkultes, unterstützt durch das Entstehen von Wallfahrtswegen, die ganz Europa kreuzten (im Mittelalter berühmteste – Wallfahrt nach Rom, St.-Jakobs-Wallfahrt nach Santiago de Compostela oder die St.-Martins-Wallfahrt nach Tours). Fast jede Abtei wollte ein vielbesuchter Wallfahrtsort werden. Die Kirchen als „Häuser Gottes“ wurden auch das Haus des Heiligen, dessen Grab sie wie eine Festung schützten. In die Kirchen-Festung eilten auch die gläubigen Pilger, um Schutz vor dem Bösen und der teuflischen Welt zu suchen. Das Grab des Heiligen, das sich in der Regel in der Apsis (östlich des Hauptaltars) befand, ließ breite Seiten- und Querschiffe entstehen, damit es möglichst von vielen Wallfahrern zugleich besucht werden konnte. Integrierter Bestandteil der romanischen Kirchen ist auch der bildhauerische Schmuck, vor allem das Eingangsportal („versteinertes Bild“), das Mosaik und die farbige Innenausmalung. Diese hatte für die, des Lesens nicht mächtigen Wallfahrer eine informative, belehrende Funktion, da sie das Leben der Heiligen, mitunter jedoch auch der Herrschergeschlechter, darstellte, wie z. B. die Rotunde der Heiligen Katharina in Znojmo (Znaim).

Anknüpfender Träger des romanischen Stils war der Orden der französischen Zisterzienser, die sich nach den Ordensregeln des Benedikt von Nursia vom Jahre 1098 hielten. Als Orden der Reformbenediktiner kehrte er zu Beginn zu den Idealen der Armut zurück. Seine Angehörigen konzentrierten sich vor allem auf die Kolonisierung abgeschiedener und unwirtlicher Orte, da sie viele Handwerke beherrschten. Die Werkstätten und Scheunen, in denen die Laienbrüder arbeiteten, waren ein Vorbild der Fabriken und Großgüter der modernen Zeit, mit dem Unterschied, das die Schmiede oder das Klosterhospiz ebenso sorgfältig wie die Kirch gebaut wurde, die einfach und ohne bildhauerischen Schmuck war. („Wozu soll es gut sein, einem Mönch, welcher lesen und meditieren soll, diese lächerlichen Missgestalten, schönen Abscheulichkeiten vor Augen zu halten? Ist es denn unterhaltsamer, Steine zu betrachten, als in Handschriften zu lesen, die Tage mit dem Betrachten der Bildhauerwerke, als mit dem Nachdenken über die Gesetze des Herrn zu verbringen?“ – Hl. Bernhard von Clairvaux)

Die Zisterzienser kamen in das Königreich Böhmen im Jahre 1142, gründeten Klöster (das erste in Sedletz bei Kuttenberg (Sedlec u Kutné Hory) und kolonisierten vor allem abgelegene, bewaldete oder sumpfige Gebiete. Der Aufschwung des Ordens war auch mit dem Aufschwung Böhmens und Mährens in den Zeiten der Herrschaft der mächtigsten Přemysliden-Könige Přemysl Ottokar I. und II. Ihre Klöster, z.B. z. B. Plasy (Plass), Velehrad (Welehrad), Porta Coeli (Kloster Himmelspforte), Vyšší Brod (Hohenfurth), Zlatá Koruna (Goldenkron) oder Zbraslav (Königsaal) waren für lange Zeit ein Synonym für Klöster, die mittels der Kolonisierung die Prosperität des Landes, das handwerkliche Geschick, die christliche Bildung, die Musik, die Betreuung der Armen und Kranken förderten.

 

Die Einwanderung der Juden

Die uralten Handelsstraßen nach Böhmen und Mähren brachten auch jüdische Einwohner, die sich vor allem dem Fernhandel widmeten. Sie ließen sich in den Städten nieder, wobei ihnen unter Přemysl Ottokar II. bestimmte Rechte eingeräumt wurden. Zu jener Zeit wurde auch die Altneu-Synagoge in Prag erbaut, welche die am längsten funktionierende Synagoge in Europa ist (mehr siehe Übersicht der Geschichte der Juden im letzten Kapitel). Zu Beginn wurden sie wohl in Ehre und Würden aufgenommen. Der erste Kreuzzug, der im Jahre 1095 durch Papst Urban II. verkündet wurde, änderte dies erheblich. Die Kreuzzüge sollten in erster Linie das Heilige Land erobern und Jerusalem mit dem Grabe Christi den Händen der Muslime entreißen. Alle Kreuzzüge standen im Zeichen des drohenden Fiaskos und der Barbarei der Europäer im Kontrast zur Reife der muslimischen Welt statt.
 

Die größten Opfer der Kreuzzüge wurden jedoch nicht die Muslime in Palästina, sondern die Juden in Europa, da den unter der Losung „Gott will es so“ dahinziehenden Horden der „Heiligen Ritter“ die Sündenfreiheit bei der Eroberung von allem Nichtchristlichen garantiert worden war. Einer der Pogrome des Mittelalters befleckte auch die Herrschaft des Kaisers Karl IV., als im Jahre 1349 in Nürnberg ein Pogrom ausbrach. Die Kreuzzüge brachten allerdings der europäischen Kultur auch neue Elemente: das Phänomen der Ritterorden (im Baltikum gründeten sie sogar ihren eigenen Staat Livland), der Kreuzzüge (die später mehr gegen die europäischen Ketzer verkündet wurden), der ritterlichen Hofkultur, jedoch auch der Architektur, die neue Einflüsse aus dem Osten erlangte.

 

Die mittelalterlichen Wege kennen vertraulich die Schicksale vieler Kreuzritter, die danach trachteten, sich Gottes Gunst, Ruhm und Reichtum zu erobern, auch jener Ritter, die vor allem um die Gunst junger Damen edlen Geblüts kämpften. Diese Einflüsse auf die böhmischen Lande brachten auch manche Kreuzritter mit dem böhmischen König Vladislav II. an der Spitze mit, der am dritten Kreuzzug an der Seite des Kaisers Friedrich I. Barbarossa teilnahm. Eine herausragende Gestalt des 12. Jahrhunderts war der Prager Dekan Kosmas, der die erste böhmische Chronik verfasste.

Wichtige Termine

1054 – 
Spaltung zwischen der West- und der Ostkirche
1095 – 
1. Kreuzzug nach Palästina – Gründung des Ritterordens
1147 – 
2. Kreuzzug (die Beteiligung der tschechischen Prinzen unter Vladislav II.)
um 1173 – 
ausgehend von Petr Valdes die Valdenserbewegung
im 12. Jh. – 
Gründung der westeuropäischen Universität
um 1190 – 
3. Kreuzzug