Wege der Reformation und Gegenreformation, der Missionare und Exulanten

16.–18. Jh.

Nicht mehr das Streben nach der Reform, sondern bereits die böhmische und europäische Reformation (Abspaltung von der Institution der katholischen Kirche) brachte nicht nur eine Neuaufteilung der Machtzentren, neue Konflikte, sondern auch neues Ideengut und theologische Akzente mit sich. Diese Epoche begann mit den Reformatoren Martin Luther, Jean Calvin, dem Anwachsen der Gemeinschaft der Böhmischen Brüder. Das Bemühen, sich vom Machtzentrum in Rom zu befreien und das Gegenbemühen, sich um jeden Preis zu halten, waren der Motor des neuen Geschehens und der Spannungen, die in den Dreißigjährigen Krieg mündeten. Nach der Zeit der Noblesse der Renaissance, der Betonung der menschlichen Individualität, kam die Zeit des emotional ausgelassenen und dynamischen Barocks, der sich erneut an die Macht und Größe Gottes klammerte, ja nicht einmal zögerte, die menschliche Individualität alleinig Gott zu überlassen. Er begann mit dem Antritt des Jesuitenordens und fand seine Fortsetzung mit dem Werk des Jan Amos Komenský, jedoch auch des Arnošt Vojtěch z Harrachu (Ernst Adalbert von Harrach) und des Jan Blažej Santini oder der Baumeisterfamilie Dientzenhofer.

Zumindest für jenen Teil Europas, der sich der Reformation anschloss, gab der deutsche Augustinermönch und Professor Martin Luther, der ähnlich wie Hus ein Jahrhundert zuvor zunächst mit der Kritik der Ablässe gegen die Kirche auftrat, Böhmen und Mähren Rang und Klang zurück. Erst während der Mittagspause einer der theologischen Universitätsdisputationen in Leipzig im Jahre 1519, nachdem er kurz zuvor der hussitischen Ketzerei bezichtigt worden war, verlangte Doktor Martin zur Einsichtnahme die Aufzeichnungen vom Konstanzer Konzil und stellte anhand Hussens Aussagen fest, dass Hussens und seine Ansichten zur Kirche identisch waren, sodass er Hus öffentlich in Schutz nahm. Auch darin, dass das Oberhaupt der Kirche nicht der Papst, sondern Christus sei, dass die auserwählte (allgemeine) Kirche nicht nur die zu Rom gehörige sei, und dass die Kirche ihre Lehre lediglich auf der Grundlage der Bibel entwickeln sollte. 
 

In den Augen der Vertreter der Kirche verschlechterte sich die Stellung Luthers deutlich, da er sich zur einem „verstockten Ketzer“ bekannte. Die sich zunächst unter der deutschen Bevölkerung verbreitende lutherische (Augsburger) und später die immer mehr kalvinistische (reformierte) Konfession drang auch mittels der Gemeinschaft der Böhmischen Brüder auf unser Gebiet vor. Ihrer Verbreitung kamen die Erfindung des Buchdrucks, der Humanismus und auch berühmte deutsche, schweizerische und niederländische Universitäten zur Hilfe, an denen in immer größerem Maße böhmische Studenten studierten. Sie wurden von einem Großteil der protestantischen Elite in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg (1620) absolviert. 
 

In Böhmen trug die lutherische Reformation Zwietracht in die Reihen der Utraquisten. Die traditionellen Utraquisten neigten daher immer mehr zur römischen Kirche und behielten überwiegend alte Ordnungen und Traditionen bei. Im Gegensatz hierzu waren viele andere von der neuen Welle der Reformationsgedanken begeistert, akzeptierten nicht nur Luther, sondern auch Zwingli, Bucer und Calvin. Die gegenwärtige Historiografie unterteilt daher die damaligen Utraquisten in „Altutraquisten“ und reformtreue „Neuutraquisten“, die ihre Weihe unter den Lutheranern, hinter den Grenzen, suchten.
 

Der Majestätsbrief des Kaisers Rudolf II. über die Religionsfreiheit für die nichtkatholische Bevölkerung (1609) ermöglichte die Existenz auch der lutherischen Kirchen sowie das Entstehen evangelischer Kirchen des Frühbarocks auf unserem Territorium. Bis zum Dreißigjährigen Krieg verblieben jedoch nur noch 9 Jahre…

 

Die Brüder im Exil

Den Barockstil und die die barocke Kultur brachte wirklich erst der der Beginn der Gegenreformation (Rekatholisierung). Ihr Meilenstein war die Einladung des Ordens der Gesellschaft Jesu (der sog. Jesuiten) auf unser Gebiet im Jahre 1556. Dieser Orden mit militärischer Disziplin und Organisation wurde nach dem Konzil der Gegenreformation in Trident (it. Trento) als Hauptinstrument der Rekatholisierung in Europa ausgewählt.
 

Die Jesuitenschulen waren vor allem in der Betonung des Unterrichts der Naturwissenschaften und der klassischen Sprachen (Tor zu politischen, geschäftlichen sowie militärischen Karriere) verlockend. Diese Schulen standen vor allem für adlige Burschen offen, womit sie über lange Jahrzehnte „ihre“ Elite heranbildeten, die lange Zeit unbeobachtet an Stärke gewann. Für die jungen Protestanten, den die Schulen ebenfalls offenstanden, war es dann nicht schwer, zum katholischen Glauben zu konvertieren und sich für die Kirche, die religiöse Marienverehrung und weitere souveräne Elemente der katholischen Frömmigkeit zu schlagen.
 

Die Ankunft der Jesuiten bedeutete für die böhmischen Protestanten ein ernsthaftes Problem. Die jesuitische Pädagogik überschattete souverän sämtliches Schulwesen der Utraquisten und Brüder, zeigte sogar Wirkungen auf Komenský. Spürbaren Einfluss hatten die Jesuitenväter auch auf den katholischen Adel. Und nicht zuletzt erneuerten die Jesuiten den polemischen Kampf gegen alle, denen die Frömmigkeit im Stile des Altutraquismus fremd war, vor allem also gegen die Böhmischen Brüder und Lutheraner.
 

Nach dem misslungenen Aufstand der protestantischen Stände in Böhmen gegen Kaiser Ferdinand und der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620) kam die Ära der Rekatholisierung des Landes mit allen Mitteln. Beim wütenden Konflikt des Dreißigjährigen Krieges hofften viele, sich in der Illegalität verbergenden Protestanten noch an eine Wende der Verhältnisse. Nach dem Westfälischen Frieden im Jahre 1648, der den hundertjährigen Grundsatz „Wessen Land, dessen Religion“ geltend machte, kam es zu weiteren Wellen der Rekatholisierung und zur Auswanderung jener, die es ablehnten zum Katholizismus zu konvertieren (das Land mussten an die 30 000 evangelische Familien verlassen). 
 

Auf dem Felde der Malerei fügte sich der Rekatholisierung z. B. Karel Škréta, das land verließ Jan Kupecký. Der interessanteste böhmische Exulant war der letzte Bischof der Böhmischen Brüder Jan Amos Komenský, der in der Welt vor allem aufgrund seiner pädagogischen (Sprachlehrbücher) und enzyklopädischen Tätigkeit berühmt wurde. In seinen Schriften verwies er auf die künftige Ära der Aufklärung und der Vernunft, sowie auch auf die damalige barocke, emotional aufgeblähte Frömmigkeit. Ungeachtet aller Bemühungen der Rekatholisatoren überlebte der geheime Protestantismus vor allen in den weniger zugänglichen Gebieten der Walachei, des Hochlandes und Ostböhmens bis zum Erlass des Toleranzpatentes, wobei die heimlichen Prediger und Vertreiber der Bücher die Kontakte der geheimen böhmischen Protestanten zum reformatorischen Europa pflegten. Die Reisen dieser Prediger und Buchvertreiber wurden geheim gehalten und führten häufig parallel zu den Haupthandelsstraßen und Verwaltungswegen, wobei sie oft „Ketzerreisen“ genannt wurden. 
 

Mit der gewaltsamen Vertreibung und Verfolgung der Nichtkatholiken waren jedoch nicht alle einverstanden, wobei ein Beispiel unter anderem der Kardinal Arnošt Vojtěch z Harrachu (Ernst Adalbert von Harrach) und sein naher Mitarbeiter, der aus Mailand stammende Valerian Magni waren, der sogar öffentlich gegen den unmenschlichen Umgang mit den Nichtkatholiken und gegen die Monopolstellung des Jesuitenordens auftrat. Wegen seiner Haltung wurde er angeklagt und in Rom gefangen gehalten; ein Jahr nach seiner Freilassung starb er in Salzburg.

 

Ekstatischer Barock

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erhielt die Rekatholisierung einen mächtigen Impuls, und zwar vor allem nach der Heiligsprechung des Johann von Nepomuk, dessen Kult ein Instrument wurde, die Erinnerung an Jan Hus zu übertünchen und das Volk mehr an die katholische Kirche zu binden. Mit der Verbreitung der Verehrung des Johann von Nepomuk entstanden jedoch auch wunderbare Werke des böhmischen Barocks, vor allem von Jan Blažej Santini, der Baumeisterfamilie Dientzenhofer und weiteren. 
 

Die Barockkunst brachte eine aufgeblähte Emotionalität, Dynamik, Leidenschaft mit sich, bäumte sich gegen die Rationalität und die Ordnung auf und kehrte zur unergründbaren Natur im Bemühen zurück, das Leben in seiner dynamischen Verwandlung zu erfassen. Sie war bestrebt, den Zustand der unruhigen, von Zweifeln geschüttelten und zu Gott aufblickenden Seele darzustellen. Die Architektur sollte die Hoheit Gottes mittels der materiellen Welt berühren. Der Barock wandte sich an die Volksmassen und bot die Verknüpfung materiellen Überflusses, der Verführung sowie des Pathos und die „Weihe“ durch den von Emotionen erfüllten Glauben. Es wuchs das Interesse an der Rhetorik und am Theater. 
 

In die Architektur kehrten die Kuppel durch in himmlische Höhen übergehende Fresken, unruhige Linien, offene Formen, optische Illusionen, die Asymmetrie zurück. Der Mensch in der Zeit des Barocks wollte von starken Erlebnissen in die unendliche Ferne hingerissen werden. Die äußere Überzeugungskraft war wichtiger als die rationale Wahrhaftigkeit, Illusionen übernahmen die Aufgabe des Beweises. (Der Autor der Jesuitenkirche Il Gesú, Andrea Pozzo, schrieb in seinem Werk Perspektive: „Die illusionsartigen Elemente müssen ihre echte Wirkung haben, d.h. den Blick täuschen. Ich erinnere mich sogar, Menschen gesehen zu haben, die eine Treppe ersteigen wollten und ihren Irrtum erst erkannten, als sie ihn mit eigenen Händen abtasteten.“)
 

Jede Region, jedes zweite Dorf in Böhmen und Mähren trugen in sich das Siegel des Barocks durch architektonische Denkmäler oder die Tradition religiöser Wallfahrten, die auf unserem Territorium vor allen in den früher nichtkatholischen Gegenden die katholische Spiritualität verbreiteten.
 

Die barocke emotionale Frömmigkeit fand jedoch auch ihren Widerhall in der protestantischen sog. pietistischen Frömmigkeit, insbesondere im lutherischen Milieu. Im deutschen Halle wurden viele Bücher, Katechismen, Gebetsbücher gedruckt und heimlich nach Böhmen geschmuggelt. Im sächsischen Herrnhut (Ochranov) gründete Graf Ludwig von Zinzendorf die Gemeinschaft der Böhmischen Brüder. Der Pietismus mit der Kritik des „Sonntagschristentums“ und des langwierigen Suchens nach den richtigen Definitionen des Glaubens zu Lasten des praktischen Lebens des Christen brachte in die christliche Welt das Element des regelmäßigen Lesens der Bibel und der gemeinsamen Gebete bei der Begegnung in den Haushalten und später auf den Pfarren.

Wichtige Termine

16. Jh. – 
Reformation M. Luther
1529 – 
Türken belagern Wien
1540 – 
Gründung des Jesuitenordens
1572 – 
in Frankreich „Bartholomäus Nacht“, die Tötung der Hugenotten
1648 – 
Westfälischer Frieden
1683 – 
Türken belagern Wien
1762-1796 – 
Regierung der Katharina der Großen in Russland
1773 – 
Auflösung des Jesuitenordens
1776 – 
Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika
1789 – 
Große Französische Revolution
1792 – 
Republik Frankreich